Offe­ner Brief des Bio-Sek­tors an die Bundeskanzlerin

Die deut­schen Ver­bän­de der Bio-Bau­ern, ‑Lebens­mit­tel­her­stel­ler sowie ‑Händ­ler rich­ten sich heu­te mit einem offe­nen Brief an Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel. Ihre For­de­rung: ‚Höfe ret­ten, hei­mi­sche Bio-Ver­sor­gung sichern, Umwelt & Kli­ma schüt­zen mit der GAP!‘

Nach­fol­gend fin­den Sie den Brief im Wortlaut:

Sehr geehr­te Frau Bundeskanzlerin,

wäh­rend eini­ge Prak­ti­ken der inten­si­ven Land­wirt­schaft, die laut Gesetz erlaubt sind, Kli­ma­kri­se, Arten­ster­ben, Boden­de­gra­da­ti­on und Was­ser­ver­schmut­zung ver­stär­ken, schlie­ßen stän­dig mehr Bau­ern­hö­fe ihre Tore für immer. Denn trotz aller Inten­si­vie­rung kön­nen sie nicht mit­hal­ten. Aus die­sem Teu­fels­kreis müs­sen wir aus­bre­chen. Ver­säumt es die Bun­des­re­gie­rung, dafür die Wei­chen zu stel­len, ver­lie­ren wir mehr Höfe, mehr Res­sour­cen und das Ver­trau­en von immer mehr Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, denen Umwelt‑, Kli­ma- und Tier­schutz ein Anlie­gen sind. Die Bun­des­re­gie­rung näh­me es auch in Kauf, dass die gro­ße Nach­fra­ge nach Bio-Lebens­mit­teln nicht aus hei­mi­scher Pro­duk­ti­on gesi­chert wer­den kann – das Poten­ti­al für Wert­schöp­fung im länd­li­chen Raum, und das vie­ler Arbeits­kräf­te, blie­be unausgeschöpft.

Wel­che Land­wirt­schaft sich lohnt, das bestimmt die Gemein­sa­me Agrar­po­li­tik (GAP). Aktu­ell lohnt es sich durch die ver­al­te­ten Regeln der GAP, Land zu besit­zen. Denn fast egal, wie man dar­auf wirt­schaf­tet, bekommt man Geld pro Hekt­ar aus­ge­zahlt. Den Bäue­rin­nen und Bau­ern nutzt das wenig. Denn die­je­ni­gen, die ver­pach­ten – und die abneh­men­de Hand – wis­sen, wie hoch die Hekt­ar­prä­mie ist und kal­ku­lie­ren das in ihre Prei­se ein.

In der GAP und ihrer Umset­zung hier in Deutsch­land liegt der Schlüs­sel zur Ernäh­rungs­wen­de. Wie die Mil­li­ar­den Euro inves­tiert wer­den, bestimmt, ob Bau­ern­hö­fe, Bie­nen und Boden künf­tig exis­tie­ren kön­nen – oder, ob Sek­tor und Res­sour­cen wei­ter unter­ge­hen. Zehn­tau­sen­de Bio-Betrie­be haben seit Jahr­zehn­ten die Mög­lich­keit bekom­men, zu zei­gen, wie es nach­hal­ti­ger geht. Die Wis­sen­schaft bezeugt, wie wirk­sam Bio für die Umwelt ist. Und Ihre Regie­rung hat sich des­halb das Ziel gesetzt, 20 % Bio bis 2030 zu erreichen.

Zwar nennt Bun­des­land­wirt­schafts­mi­nis­te­rin Julia Klöck­ner das, was bei der GAP erreicht wur­de „Sys­tem­wech­sel“. Vie­le Stim­men aus der Wis­sen­schaft, Wirt­schaft und Gesell­schaft – und auch aus der Zukunfts­kom­mis­si­on Land­wirt­schaft – wider­spre­chen dem scharf. Denn weder das, was unter Deut­scher Rats­prä­si­dent­schaft beschlos­sen wur­de, noch die jetzt geplan­te natio­na­le Umset­zung erfül­len die­sen Anspruch. Viel­mehr wird im Gro­ßen und Gan­zen der Sta­tus quo des aktu­el­len Sys­tems zementiert.

Eine Ana­lo­gie zur Ener­gie­po­li­tik: Ein Sys­tem­wech­sel wäre dort der Über­gang von der Braun­koh­le zu Erneu­er­ba­ren Ener­gien. Mit Blick auf die geplan­te GAP-Reform bedeu­tet dies: Der aktu­el­le Ent­wurf für den natio­na­len Stra­te­gie­plan führt lei­der nur dazu, dass die Braun­koh­le einen grü­nen Anstrich erhält, mehr nicht. Von einem „Wech­sel“ kann erst gespro­chen wer­den, wenn die GAP fest­schreibt wie vom „Sys­tem Geld für Flä­chen­be­sitz“ hin zum „Sys­tem Hono­rie­rung von Umwelt­leis­tun­gen“ (public money for public goods) umge­steu­ert wird – und sich bei den Inves­ti­tio­nen dafür kon­kret am Bedarf orientiert.

Bei­spiel Öko­land­bau: Damit mehr Bäue­rin­nen und Bau­ern umstel­len kön­nen, muss die GAP ihre Bio-Zusatz­leis­tun­gen hono­rie­ren, die der Markt nicht voll­stän­dig ent­lohnt. Ange­legt ist das jetzt nicht. Es ist ganz ein­fach nach­zu­rech­nen, dass die Kas­sen für kon­ven­tio­nel­le Betrie­be, die auf Öko umstel­len wol­len – und so eine neue Per­spek­ti­ve bekom­men – bald leer sein wer­den. Das 20 % Öko-Ziel der Bun­des­re­gie­rung und das 25 % Öko-Ziel Euro­pas aus dem EU Green Deal, wer­den sehen­den Auges torpediert.

Sehr geehr­te Frau Bun­des­kanz­le­rin, Sie haben ver­spro­chen, die Agrar­po­li­tik wer­de jetzt eine „Ram­pe auf­bau­en“, die hin zu einer zukunfts­fä­hi­gen Land­wirt­schaft führt. Bit­te sor­gen Sie in die­ser wich­ti­gen Pha­se, in der Bund und Län­der die ent­spre­chen­den Wei­chen für die GAP stel­len wol­len, dafür, dass das Bild Rea­li­tät wird. Bäue­rin­nen und Bau­ern in Deutsch­land brau­chen jetzt Klar­heit, dass sie für not­wen­di­ge Umwelt­leis­tun­gen hono­riert wer­den. Nur dann kön­nen Sie inves­tie­ren. Nur dann wagen sie die Lebens­ent­schei­dung Öko­land­bau, kön­nen Res­sour­cen schüt­zen und hei­mi­sche Öko-Roh­stof­fe für die jedes Jahr stär­ker nach­ge­frag­ten Bio-Pro­duk­te liefern.

 

Mit freund­li­chen Grüßen

Dr. Alex­an­der Beck
Vor­stand Asso­zia­ti­on öko­lo­gi­scher Lebens­mit­tel­her­stel­ler e.V.

Gott­fried Erves
Vor­stands­vor­sit­zen­der Bio­kreis e.V. – Ver­band für öko­lo­gi­schen Land­bau und gesun­de Ernährung

Jan Plag­ge
Prä­si­dent Bio­land e.V.

Jens Rasim
Vor­stands­vor­sit­zen­der Bio­park e.V.

Kath­rin Jäckel
Geschäfts­füh­rung Bun­des­ver­band Natur­kost und Natur­wa­ren e.V.

Tina And­res
Vor­stand Bun­des­ver­band Natur­kost und Natur­wa­ren e.V.

Rudolf Büh­ler
Prä­si­dent Eco­land e.V.

Andre­as Hattemer
Bun­des­vor­sit­zen­der ECO­VIN Bun­des­ver­band Öko­lo­gi­scher Wein­bau e.V.

Kor­ne­lie Blumenschein
Geschäfts­füh­ren­de Vor­sit­zen­de Gäa e.V. – Ver­ei­ni­gung öko­lo­gi­scher Landbau

Lukas Nos­sol
Inter­es­sens­ge­mein­schaft der Bio­märk­te (IGBM)

Hans Bartel­me
Vize­prä­si­dent Natur­land – Ver­band für öko­lo­gi­schen Land­bau e.V.

Tho­mas Gutberlet
Arbeits­ge­mein­schaft Öko­lo­gisch enga­gier­ter Lebens­mit­tel­händ­ler und Dro­gis­ten (ÖLD)

Cars­ten Greve
Vor­stand Reform­haus eG

Tho­mas Handrick
Vor­stand Ver­bund Öko­hö­fe e.V.

 

Quel­le: www.biopress.de